An die Arbeit
Fachartikel diverse

An die Arbeit

    Die wenigen im MEH, die trotz Behinderung im ersten Arbeitsmarkt arbeiten, sind für mich echte Helden. Auch ich möchte ausserhalb des MEH eine Stelle finden, doch das ist nicht einfach.

     

    Als kleiner Junge wollte ich Pilot oder Lokomotivführer werden, halt diese typischen Bubenträume. Wegen meiner Krankheit Muskeldystrophie Typ Duchenne bleibt das leider ein Traum. Zurzeit mache ich eine Praktische Ausbildung nach INSOS (PrA) Mediamatik im MEH. Ich habe mich für diese Ausbildung entschieden, weil fast alle Arbeiten am Computer durchführbar sind und ich dabei auch kreativ sein kann. Ich schliesse dieses Jahr meine Ausbildung ab und mache mir Gedanken, was danach kommen soll.

     

    Bewährungsprobe

    Im Rahmen meiner Ausbildung absolviere ich ein Praktikum bei der Bau- und Immobilienberatungsfirma Immopro AG, wo es mir sehr gefällt. Die Immopro AG bietet den Auszubildenden im MEH schon seit fünf Jahren Praktikumsstellen. Ich bin bereits der vierte Praktikant und mein Nachfolger steht auch schon fest. Im Praktikum erledige ich Aufgaben wie z.B. Kassenbuch führen, kleinere Aufgaben an der Webseite vornehmen oder Adresslisten überarbeiten. Auch bei der Organisation eines Büroausflugs konnte ich helfen. Meine Lieblingsfächer in der Ausbildung sind Grafik, Web und EDV. In Grafik gestalten wir mit der Hilfe unseres Grafikers Logos, Flyer und Magazine. Fotos zu bearbeiten, macht mir sehr viel Spass. Ich denke, dass in fast jeder Firma Tätigkeiten anfallen, die ich übernehmen kann. Im Praktikum habe ich schon bewiesen, dass ich gute Arbeit leisten kann.

     

    Integration statt Separation

    Ich möchte nach der Ausbildung eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt finden. Im MEH gibt es sehr wenige, die das geschafft haben. Sie sind bei uns die wahren Helden. Ich will das auch erreichen, damit ich stolz auf mich sein kann. Ich möchte meinen Kollegen beweisen, dass man auch als Rollstuhlfahrer im ersten Arbeitsmarkt arbeiten kann. Eine Alternative wäre für mich eine Stelle in der Werkstätte des MEH. Bei einer Schnupperwoche durfte ich feststellen, dass die Arbeit dort abwechslungsreicher ist, als ich es mir vorgestellt hatte. Für mich ist es jedoch eine Separation, nicht im ersten Arbeitsmarkt tätig zu sein. Ausserdem hoffe ich, dass ich im ersten Arbeitsmarkt mehr Lohn erhalte. Am liebsten würde ich eine Stelle im Toggenburg finden, damit ich wieder in meine Heimat ziehen und bei meiner Familie leben kann. Mir ist bewusst, dass der erste Arbeitsmarkt auch Nachteile für mich hat. Ich denke, bei vielen Stellen muss man sehr genau arbeiten und der Zeitdruck ist höher. Das Hauptproblem wird vermutlich sein, dass ich weniger Unterstützung bekomme. Ich brauche Hilfe zum An- und Ausziehen der Jacke, zum Essen und Trinken und mittlerweile auch zum Einrichten des Arbeitsplatzes.

     

    Ernüchternd

    Schon die Suche nach einer Praktikumsstelle war alles andere als einfach. Meine erste Idee war, mich bei einer kirchlichen Organisation zu bewerben. Ich bin ein gläubiger Mensch und dachte, dass eine solche Organisation Verständnis für meine Situation hätte und mich unterstützen würde. Mein Anruf verlief allerdings anders als geplant. Die Dame am anderen Ende der Leitung war, glaube ich, ein bisschen gestresst. Ich war enttäuscht, dass es nicht geklappt hatte. Anschliessend schrieb ich Bewerbungen an Firmen, die bereits einen Praktikanten vom MEH eingestellt hatten. Ich schickte meine Bewerbung an die Hochschule für Heilpädagogik, wo mein Kollege Abi das Praktikum machte. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch und es lief nicht schlecht. Das Problem war, dass sie mir zunächst nur ein Praktikum für drei Monate anbieten konnten. Das war mir zu unsicher. Schliesslich klappte es dann bei Immopro AG. Ich bekam auch dort die Möglichkeit, mich persönlich vorzustellen und mir einen Eindruck zu verschaffen. Es gefiel mir so gut, dass ich sofort zusagte.

     

    Flexibilität gesucht

    Es ist sehr schwierig, sich als Mensch mit Behinderung anonym zu bewerben. Oft sind die Arbeitgeber verunsichert. Meine Ausbildung passt nicht in das klassische Berufsschema, d.h. es gibt auch keine Stellenausschreibung, die genau auf mein Profil passt. Meistens mache ich Blindbewerbungen. Ich bin auf eine wohlwollende Haltung von Seiten der Arbeitgeber angewiesen und denke, dass Vitamin B extrem wichtig ist. Oft steht nur die Barrierefreiheit im Mittelpunkt, sie ist aber meiner Meinung nach nicht das Hauptproblem. Ohne eine gewisse Flexibilität von Seiten der Arbeitgeber geht es nicht. Ich denke, dass vieles möglich wäre, wenn man nicht gleich abblocken würde und es zu einem offenen Austausch mit den Firmen käme. Es fällt mir nicht so leicht, in einer Bewerbung offen über meine Behinderung zu schreiben. Aber irgendwann muss das Thema auf den Tisch. Manchmal denke ich, dass mein Bewerbungsschreiben deswegen oft nicht einmal fertiggelesen wird.

     

    Steiniger Weg

    Im Rahmen eines Bewerbungsmoduls in der Ausbildung besuchten wir die Berufsmesse in Zürich. Wir waren bereits letztes Jahr dort und ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, nützliche Infos zu bekommen. Es kam so, wie ich vermutet hatte. Viele Firmen stellen Lernende an ihre Stände, die mit unseren Fragen oft überfordert sind. Sie haben keine Ahnung, was sie uns erzählen sollen. Viele verwiesen uns auch bei diesem Besuch auf ihre Webseite. Sie wussten aber auch, dass die dort publizierten Informationen uns nicht weiterhelfen. Mit der Zeit regte es mich auf. Sie versuchten, uns mit allen Mitteln abzuschütteln. Es war sehr deprimierend. Mir ist es klar, dass es sich um eine Messe für Ausbildungen und Weiterbildungsmöglichkeiten und nicht um eine Jobbörse handelt. Dennoch hatte ich vor dem Besuch gehofft, mit einzelnen Firmen in Kontakt zu kommen.

     

    Hoffnungsloser Fall?

    Im Moment läuft es nicht so rund bei der Stellensuche. Bis jetzt habe ich nur Absagen bekommen. Meist waren es Standardantworten. Nur zweimal habe ich eine Rückmeldung bekommen, warum es nicht klappt. In beiden Fällen lag es an der Rollstuhlgängigkeit. Ich habe es nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch geschafft. Ich habe das Gefühl, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Ich bin dennoch überzeugt, dass es nicht nur an mir liegt. Für Menschen mit Behinderung gibt es in der Schweiz ein breites Angebot und viele Möglichkeiten. Leider ist der Arbeitsmarkt für Menschen mit und ohne Behinderung aus meiner Sicht zu separiert. Ich denke, es muss sich gesellschaftlich noch vieles ändern, damit Menschen wie ich einen gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Ich werde mich weiterhin um Möglichkeiten im ersten Arbeitsmarkt bemühen.

    Text: Lukas Frei

     

    Artikel als PDF: MEH_Pause_Magazin_2018

     

    An die Arbeit
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    An die Arbeit

      Die wenigen im MEH, die trotz Behinderung im ersten Arbeitsmarkt arbeiten, sind für mich echte Helden. Auch ich möchte ausserhalb des MEH eine Stelle finden, doch das ist nicht einfach.

       

      Als kleiner Junge wollte ich Pilot oder Lokomotivführer werden, halt diese typischen Bubenträume. Wegen meiner Krankheit Muskeldystrophie Typ Duchenne bleibt das leider ein Traum. Zurzeit mache ich eine Praktische Ausbildung nach INSOS (PrA) Mediamatik im MEH. Ich habe mich für diese Ausbildung entschieden, weil fast alle Arbeiten am Computer durchführbar sind und ich dabei auch kreativ sein kann. Ich schliesse dieses Jahr meine Ausbildung ab und mache mir Gedanken, was danach kommen soll.

       

      Bewährungsprobe

      Im Rahmen meiner Ausbildung absolviere ich ein Praktikum bei der Bau- und Immobilienberatungsfirma Immopro AG, wo es mir sehr gefällt. Die Immopro AG bietet den Auszubildenden im MEH schon seit fünf Jahren Praktikumsstellen. Ich bin bereits der vierte Praktikant und mein Nachfolger steht auch schon fest. Im Praktikum erledige ich Aufgaben wie z.B. Kassenbuch führen, kleinere Aufgaben an der Webseite vornehmen oder Adresslisten überarbeiten. Auch bei der Organisation eines Büroausflugs konnte ich helfen. Meine Lieblingsfächer in der Ausbildung sind Grafik, Web und EDV. In Grafik gestalten wir mit der Hilfe unseres Grafikers Logos, Flyer und Magazine. Fotos zu bearbeiten, macht mir sehr viel Spass. Ich denke, dass in fast jeder Firma Tätigkeiten anfallen, die ich übernehmen kann. Im Praktikum habe ich schon bewiesen, dass ich gute Arbeit leisten kann.

       

      Integration statt Separation

      Ich möchte nach der Ausbildung eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt finden. Im MEH gibt es sehr wenige, die das geschafft haben. Sie sind bei uns die wahren Helden. Ich will das auch erreichen, damit ich stolz auf mich sein kann. Ich möchte meinen Kollegen beweisen, dass man auch als Rollstuhlfahrer im ersten Arbeitsmarkt arbeiten kann. Eine Alternative wäre für mich eine Stelle in der Werkstätte des MEH. Bei einer Schnupperwoche durfte ich feststellen, dass die Arbeit dort abwechslungsreicher ist, als ich es mir vorgestellt hatte. Für mich ist es jedoch eine Separation, nicht im ersten Arbeitsmarkt tätig zu sein. Ausserdem hoffe ich, dass ich im ersten Arbeitsmarkt mehr Lohn erhalte. Am liebsten würde ich eine Stelle im Toggenburg finden, damit ich wieder in meine Heimat ziehen und bei meiner Familie leben kann. Mir ist bewusst, dass der erste Arbeitsmarkt auch Nachteile für mich hat. Ich denke, bei vielen Stellen muss man sehr genau arbeiten und der Zeitdruck ist höher. Das Hauptproblem wird vermutlich sein, dass ich weniger Unterstützung bekomme. Ich brauche Hilfe zum An- und Ausziehen der Jacke, zum Essen und Trinken und mittlerweile auch zum Einrichten des Arbeitsplatzes.

       

      Ernüchternd

      Schon die Suche nach einer Praktikumsstelle war alles andere als einfach. Meine erste Idee war, mich bei einer kirchlichen Organisation zu bewerben. Ich bin ein gläubiger Mensch und dachte, dass eine solche Organisation Verständnis für meine Situation hätte und mich unterstützen würde. Mein Anruf verlief allerdings anders als geplant. Die Dame am anderen Ende der Leitung war, glaube ich, ein bisschen gestresst. Ich war enttäuscht, dass es nicht geklappt hatte. Anschliessend schrieb ich Bewerbungen an Firmen, die bereits einen Praktikanten vom MEH eingestellt hatten. Ich schickte meine Bewerbung an die Hochschule für Heilpädagogik, wo mein Kollege Abi das Praktikum machte. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch und es lief nicht schlecht. Das Problem war, dass sie mir zunächst nur ein Praktikum für drei Monate anbieten konnten. Das war mir zu unsicher. Schliesslich klappte es dann bei Immopro AG. Ich bekam auch dort die Möglichkeit, mich persönlich vorzustellen und mir einen Eindruck zu verschaffen. Es gefiel mir so gut, dass ich sofort zusagte.

       

      Flexibilität gesucht

      Es ist sehr schwierig, sich als Mensch mit Behinderung anonym zu bewerben. Oft sind die Arbeitgeber verunsichert. Meine Ausbildung passt nicht in das klassische Berufsschema, d.h. es gibt auch keine Stellenausschreibung, die genau auf mein Profil passt. Meistens mache ich Blindbewerbungen. Ich bin auf eine wohlwollende Haltung von Seiten der Arbeitgeber angewiesen und denke, dass Vitamin B extrem wichtig ist. Oft steht nur die Barrierefreiheit im Mittelpunkt, sie ist aber meiner Meinung nach nicht das Hauptproblem. Ohne eine gewisse Flexibilität von Seiten der Arbeitgeber geht es nicht. Ich denke, dass vieles möglich wäre, wenn man nicht gleich abblocken würde und es zu einem offenen Austausch mit den Firmen käme. Es fällt mir nicht so leicht, in einer Bewerbung offen über meine Behinderung zu schreiben. Aber irgendwann muss das Thema auf den Tisch. Manchmal denke ich, dass mein Bewerbungsschreiben deswegen oft nicht einmal fertiggelesen wird.

       

      Steiniger Weg

      Im Rahmen eines Bewerbungsmoduls in der Ausbildung besuchten wir die Berufsmesse in Zürich. Wir waren bereits letztes Jahr dort und ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, nützliche Infos zu bekommen. Es kam so, wie ich vermutet hatte. Viele Firmen stellen Lernende an ihre Stände, die mit unseren Fragen oft überfordert sind. Sie haben keine Ahnung, was sie uns erzählen sollen. Viele verwiesen uns auch bei diesem Besuch auf ihre Webseite. Sie wussten aber auch, dass die dort publizierten Informationen uns nicht weiterhelfen. Mit der Zeit regte es mich auf. Sie versuchten, uns mit allen Mitteln abzuschütteln. Es war sehr deprimierend. Mir ist es klar, dass es sich um eine Messe für Ausbildungen und Weiterbildungsmöglichkeiten und nicht um eine Jobbörse handelt. Dennoch hatte ich vor dem Besuch gehofft, mit einzelnen Firmen in Kontakt zu kommen.

       

      Hoffnungsloser Fall?

      Im Moment läuft es nicht so rund bei der Stellensuche. Bis jetzt habe ich nur Absagen bekommen. Meist waren es Standardantworten. Nur zweimal habe ich eine Rückmeldung bekommen, warum es nicht klappt. In beiden Fällen lag es an der Rollstuhlgängigkeit. Ich habe es nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch geschafft. Ich habe das Gefühl, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Ich bin dennoch überzeugt, dass es nicht nur an mir liegt. Für Menschen mit Behinderung gibt es in der Schweiz ein breites Angebot und viele Möglichkeiten. Leider ist der Arbeitsmarkt für Menschen mit und ohne Behinderung aus meiner Sicht zu separiert. Ich denke, es muss sich gesellschaftlich noch vieles ändern, damit Menschen wie ich einen gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Ich werde mich weiterhin um Möglichkeiten im ersten Arbeitsmarkt bemühen.

      Text: Lukas Frei

       

      Artikel als PDF: MEH_Pause_Magazin_2018