Bestehendes Stockwerkeigentum – Augen auf vor dem Kauf
Fachartikel Immobilia

Bestehendes Stockwerkeigentum – Augen auf vor dem Kauf

    Da das Modell «Stockwerkeigentum» langsam in die Jahre kommt, bieten sich immer mehr Gelegenheiten zum Kauf von älteren Stockwerkeigentumseinheiten. So ein Kauf kann eine Alternative sein, aber man sollte genau hinsehen.

    UNTERLAGEN GENAU PRÜFEN
    Im Unterschied zum sogenannten «Kauf ab Plan», wo der Kaufentscheid meist auf Basis rudimentärer Verkaufsgrundlagen erfolgen muss, kann ein bestehendes Wohnobjekt, ähnlich wie bei einem Occasionsfahrzeug, vorgängig genau geprüft werden. Wenn schon gebaute und damit in der Regel etwas ältere Eigentumswohnungen verkauft werden, stellen sich auch Garantiefragen nur noch selten, da sämtliche Mängel inzwischen behoben oder verjährt sind. Stattdessen wird die «Geschichte» des Kaufobjekts umso wichtiger. Aus den Jahresrechnungen, die bei professioneller Verwaltung aus Bilanz und Erfolgsrechnung bestehen, wird zum Beispiel ersichtlich, mit welchen wiederkehrenden Kosten zu rechnen ist. Auch der Stand des sog. Erneuerungsfonds ist, sofern überhaupt ein solcher besteht, daraus ersichtlich. Falls Betriebskosten separat abgerechnet werden, ist auch die entsprechende jährliche Abrechnung aufschlussreich. Neben den Jahresrechnungen sind besonders die Protokolle der periodischen, ordentlichen und evtl. auch ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlungen eine unverzichtbare Entscheidungsgrundlage. Wichtige Themen, welche die Stockwerkeigentümergemeinschaft in den letzten Jahren beschäftigt haben (bspw. Renovationen, Unterhaltsaufwendungen oder spezielle Vorkommnisse), gehen daraus hervor. Sämtliche im Rahmen der Stockwerkeigentümerversammlungen getroffenen Beschlüsse sind gegenüber Rechtsnachfolgern verbindlich und damit für die Käufer einer Eigentumswohnung von grosser Relevanz. Meist ist aus den Protokollen auch das «Klima» innerhalb der Stockwerkeigentümergemeinschaft erkennbar wie zum Beispiel andauernde Streitigkeiten oder Nutzungskonflikte.
    Protokolle und Jahresrechnungen sollten daher mindestens von den letzten drei bis fünf Jahren, besser aber noch über den gesamten Zeitraum seit Erstellung, eingesehen werden. Die nachfolgenden Unterlagen sind möglichst vollständig zu beschaffen und sorgfältig zu prüfen:

    • Begründungsakt, Aufteilungspläne, Grundbuchauszug (auch für Miteigentumsanteile)
    • Katasterplan Gesamtgrundstück
    • Aktuelles Reglement der Stockwerkeigentümerversammlung
    • Nutzungs- und Verwaltungsordnung von Miteigentumsanteilen (z. B. Tiefgarage)
    • Grundbuch-Detailbelege zu Servituten, Lasten und speziellen Anmerkungen im Grundbuch
    • Bei Liegenschaften im Baurecht: aktueller Baurechtsvertrag
    • Protokolle und Jahresrechnungen, mind. der letzten drei bis fünf Jahre (besser alle)
    • Betriebskostenabrechnung und Ausweis Erneuerungsfonds (auch für Miteigentumsanteile)
    • Gebäudeversicherungsangaben und weitere Versicherungspolicen
    • Revidierte Baupläne, insb. Grundriss Stockwerkeinheit, (i. d. R. Werkplan 1:50)
    • Revidierte Installationspläne (Elektro / Heizung / Sanitär / Lüftung)
    • Liste Investitionen / Renovationen / Anschaffungen (Gemeinschafts- und Sonderrechtsteil)
    • Kaufvertrag / Baubeschrieb / evtl. Prospekte aus der Erstellungszeit
    • Kopie Mietverträge, falls Objekte (oder Teilobjekte, wie z. B. Parkplatz oder Bastelraum) vermietet sind
    • Separatverträge wie Energie-Contracting, Verwaltungsvertrag und Hauswartungsvertrag.

    Anlaufstellen hierfür sind neben dem Verkäufer und der Verwaltung der Stockwerkeigentümergemeinschaft auch das Grundbuchamt/Notariat oder die örtliche Baubehörde. Es empfiehlt sich vor einem Kauf – sofern sich hier eine Möglichkeit bietet –, auch den Kontakt zu den zukünftigen Nachbarn zu suchen.

     

    RECHTLICH KOMPLIZIERT
    Auf Grund der Struktur des Stockwerkeigentums stellen rechtliche Besonderheiten wie zum Beispiel das Pfandrecht der Stockwerkeigentümergemeinschaft für ausstehende Beitragsforderungen der letzten drei Jahre (Art. 712i ZGB) ein Risiko dar. Dies kann dazu führen, dass ein Wohnungskäufer für allfällige offene Schulden des Verkäufers geradestehen muss, um eine Zwangsverwertung der Wohnung zu verhindern. Gleiches gilt auch für ausstehende Grundsteuern, die an guten Lagen schnell beachtliche Summen erreichen können. Da für diese Steuern grundsätzlich der Eigentümer des Grundstücks haftet, hat das Gemeindesteueramt ein Pfandrecht am Grundstück und kann damit ausstehende Zahlungen notfalls selbst beim neuen Eigentümer durchsetzen. Deshalb ist im Kaufvertrag die vorgängig errechnete Grundstückgewinnsteuerschuld des Verkäufers, mittels Direktzahlung eines entsprechenden Teilbetrags an das Steueramt, sicherzustellen. Meist wird im Kaufvertrag zudem die sogenannte «Gewährspflicht für Rechtsund Sachmängel am Kaufobjekt» mittels einer entsprechenden Standardklausel aufgehoben. Dies bedeutet, dass der Verkäufer nur für ausdrücklich zugesicherte Eigenschaften des Kaufobjekts haftet und jede darüber hinausgehende Gewährleistung wegbedungen wird. Üblicherweise wird also für bestehende Liegenschaften keine Mängelhaftung gewährt; das heisst, das Objekt wird – um nochmals das Beispiel des Occasionsfahrzeugs zu bemühen – «wie gesehen» inklusive allenfalls verdeckter Mängel übernommen. Diese Klausel ist jedoch ungültig (Art. 199 OR), wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Das ist aber meist schwer zu beweisen.

     

    BAUSUBSTANZ PRÜFEN
    Es ist deshalb beim Kauf einer bestehenden Immobilie vor allem ihre Substanz zu beurteilen und der längerfristig zu erwartende Erneuerungsbedarf abzuschätzen. Solche Kosten werden bei den gemeinschaftlichen Bauteilen zwar von den jeweils Berechtigten nach Massgabe ihrer Wertquoten getragen, trotzdem können hier bei einem Kaufobjekt, das kurz vor einer grösseren Erneuerungsphase steht, schnell hohe Sanierungskostenanteile entstehen. Unter normalen Marktbedingungen werden Altbauten zu einem deutlich günstigeren Preis angeboten als vergleichbare Neubauten. Diese Preisdifferenz trägt dabei der Altersentwertung respektive dem obigen Unterhalts- und Erneuerungsbedarf Rechnung. In diesem Zusammenhang ist aber vorgängig zu klären, ob ein Erneuerungsfonds besteht und wie hoch die Einlagesumme ist. Wenn nämlich bereits nach wenigen Jahren grössere Renovationen anstehen und kein Erneuerungsfonds besteht, erweist sich das vermeintliche Schnäppchen schnell als Kostenfalle. Seit letztem Jahr existiert in der Schweiz dafür auch ein entsprechendes Versicherungsprodukt, eine sogenannte Immobiliengarantie. Diese Versicherung deckt bis zwei Jahre nach der Handänderung einer Bestandesliegenschaft verdeckte Bauschäden und vorzeitige Defekte von Bauteilen.

     

    FACHEXPERTEN LOHNEN SICH
    Der Aufwand für eine umfassende Prüfung der Verkaufsunterlagen oder eine gemeinsame Besichtigung des Kaufobjekts mit einem Baufachexperten ist in Relation zum Kaufpreis und zum Risikopotenzial sicher gut investiertes Geld. Auch wenn sich aufgrund der objektspezifischen Ausgangslage oder einer vielleicht ungünstigen Verhandlungsposition nur wenige Änderungen oder Preisminderungen durchsetzen lassen, ermöglicht die Prüfung zumindest eine bewusste Risikoabschätzung, was viele Käufer wohl etwas ruhiger schlafen lässt.
    Text: Pascal Lutz

     

    Fachartikel als PDF: Immobilia 11/2015

    Fachartikel Immobilia

    Bestehendes Stockwerkeigentum – Augen auf vor dem Kauf

      Da das Modell «Stockwerkeigentum» langsam in die Jahre kommt, bieten sich immer mehr Gelegenheiten zum Kauf von älteren Stockwerkeigentumseinheiten. So ein Kauf kann eine Alternative sein, aber man sollte genau hinsehen.

      UNTERLAGEN GENAU PRÜFEN
      Im Unterschied zum sogenannten «Kauf ab Plan», wo der Kaufentscheid meist auf Basis rudimentärer Verkaufsgrundlagen erfolgen muss, kann ein bestehendes Wohnobjekt, ähnlich wie bei einem Occasionsfahrzeug, vorgängig genau geprüft werden. Wenn schon gebaute und damit in der Regel etwas ältere Eigentumswohnungen verkauft werden, stellen sich auch Garantiefragen nur noch selten, da sämtliche Mängel inzwischen behoben oder verjährt sind. Stattdessen wird die «Geschichte» des Kaufobjekts umso wichtiger. Aus den Jahresrechnungen, die bei professioneller Verwaltung aus Bilanz und Erfolgsrechnung bestehen, wird zum Beispiel ersichtlich, mit welchen wiederkehrenden Kosten zu rechnen ist. Auch der Stand des sog. Erneuerungsfonds ist, sofern überhaupt ein solcher besteht, daraus ersichtlich. Falls Betriebskosten separat abgerechnet werden, ist auch die entsprechende jährliche Abrechnung aufschlussreich. Neben den Jahresrechnungen sind besonders die Protokolle der periodischen, ordentlichen und evtl. auch ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlungen eine unverzichtbare Entscheidungsgrundlage. Wichtige Themen, welche die Stockwerkeigentümergemeinschaft in den letzten Jahren beschäftigt haben (bspw. Renovationen, Unterhaltsaufwendungen oder spezielle Vorkommnisse), gehen daraus hervor. Sämtliche im Rahmen der Stockwerkeigentümerversammlungen getroffenen Beschlüsse sind gegenüber Rechtsnachfolgern verbindlich und damit für die Käufer einer Eigentumswohnung von grosser Relevanz. Meist ist aus den Protokollen auch das «Klima» innerhalb der Stockwerkeigentümergemeinschaft erkennbar wie zum Beispiel andauernde Streitigkeiten oder Nutzungskonflikte.
      Protokolle und Jahresrechnungen sollten daher mindestens von den letzten drei bis fünf Jahren, besser aber noch über den gesamten Zeitraum seit Erstellung, eingesehen werden. Die nachfolgenden Unterlagen sind möglichst vollständig zu beschaffen und sorgfältig zu prüfen:

      • Begründungsakt, Aufteilungspläne, Grundbuchauszug (auch für Miteigentumsanteile)
      • Katasterplan Gesamtgrundstück
      • Aktuelles Reglement der Stockwerkeigentümerversammlung
      • Nutzungs- und Verwaltungsordnung von Miteigentumsanteilen (z. B. Tiefgarage)
      • Grundbuch-Detailbelege zu Servituten, Lasten und speziellen Anmerkungen im Grundbuch
      • Bei Liegenschaften im Baurecht: aktueller Baurechtsvertrag
      • Protokolle und Jahresrechnungen, mind. der letzten drei bis fünf Jahre (besser alle)
      • Betriebskostenabrechnung und Ausweis Erneuerungsfonds (auch für Miteigentumsanteile)
      • Gebäudeversicherungsangaben und weitere Versicherungspolicen
      • Revidierte Baupläne, insb. Grundriss Stockwerkeinheit, (i. d. R. Werkplan 1:50)
      • Revidierte Installationspläne (Elektro / Heizung / Sanitär / Lüftung)
      • Liste Investitionen / Renovationen / Anschaffungen (Gemeinschafts- und Sonderrechtsteil)
      • Kaufvertrag / Baubeschrieb / evtl. Prospekte aus der Erstellungszeit
      • Kopie Mietverträge, falls Objekte (oder Teilobjekte, wie z. B. Parkplatz oder Bastelraum) vermietet sind
      • Separatverträge wie Energie-Contracting, Verwaltungsvertrag und Hauswartungsvertrag.

      Anlaufstellen hierfür sind neben dem Verkäufer und der Verwaltung der Stockwerkeigentümergemeinschaft auch das Grundbuchamt/Notariat oder die örtliche Baubehörde. Es empfiehlt sich vor einem Kauf – sofern sich hier eine Möglichkeit bietet –, auch den Kontakt zu den zukünftigen Nachbarn zu suchen.

       

      RECHTLICH KOMPLIZIERT
      Auf Grund der Struktur des Stockwerkeigentums stellen rechtliche Besonderheiten wie zum Beispiel das Pfandrecht der Stockwerkeigentümergemeinschaft für ausstehende Beitragsforderungen der letzten drei Jahre (Art. 712i ZGB) ein Risiko dar. Dies kann dazu führen, dass ein Wohnungskäufer für allfällige offene Schulden des Verkäufers geradestehen muss, um eine Zwangsverwertung der Wohnung zu verhindern. Gleiches gilt auch für ausstehende Grundsteuern, die an guten Lagen schnell beachtliche Summen erreichen können. Da für diese Steuern grundsätzlich der Eigentümer des Grundstücks haftet, hat das Gemeindesteueramt ein Pfandrecht am Grundstück und kann damit ausstehende Zahlungen notfalls selbst beim neuen Eigentümer durchsetzen. Deshalb ist im Kaufvertrag die vorgängig errechnete Grundstückgewinnsteuerschuld des Verkäufers, mittels Direktzahlung eines entsprechenden Teilbetrags an das Steueramt, sicherzustellen. Meist wird im Kaufvertrag zudem die sogenannte «Gewährspflicht für Rechtsund Sachmängel am Kaufobjekt» mittels einer entsprechenden Standardklausel aufgehoben. Dies bedeutet, dass der Verkäufer nur für ausdrücklich zugesicherte Eigenschaften des Kaufobjekts haftet und jede darüber hinausgehende Gewährleistung wegbedungen wird. Üblicherweise wird also für bestehende Liegenschaften keine Mängelhaftung gewährt; das heisst, das Objekt wird – um nochmals das Beispiel des Occasionsfahrzeugs zu bemühen – «wie gesehen» inklusive allenfalls verdeckter Mängel übernommen. Diese Klausel ist jedoch ungültig (Art. 199 OR), wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Das ist aber meist schwer zu beweisen.

       

      BAUSUBSTANZ PRÜFEN
      Es ist deshalb beim Kauf einer bestehenden Immobilie vor allem ihre Substanz zu beurteilen und der längerfristig zu erwartende Erneuerungsbedarf abzuschätzen. Solche Kosten werden bei den gemeinschaftlichen Bauteilen zwar von den jeweils Berechtigten nach Massgabe ihrer Wertquoten getragen, trotzdem können hier bei einem Kaufobjekt, das kurz vor einer grösseren Erneuerungsphase steht, schnell hohe Sanierungskostenanteile entstehen. Unter normalen Marktbedingungen werden Altbauten zu einem deutlich günstigeren Preis angeboten als vergleichbare Neubauten. Diese Preisdifferenz trägt dabei der Altersentwertung respektive dem obigen Unterhalts- und Erneuerungsbedarf Rechnung. In diesem Zusammenhang ist aber vorgängig zu klären, ob ein Erneuerungsfonds besteht und wie hoch die Einlagesumme ist. Wenn nämlich bereits nach wenigen Jahren grössere Renovationen anstehen und kein Erneuerungsfonds besteht, erweist sich das vermeintliche Schnäppchen schnell als Kostenfalle. Seit letztem Jahr existiert in der Schweiz dafür auch ein entsprechendes Versicherungsprodukt, eine sogenannte Immobiliengarantie. Diese Versicherung deckt bis zwei Jahre nach der Handänderung einer Bestandesliegenschaft verdeckte Bauschäden und vorzeitige Defekte von Bauteilen.

       

      FACHEXPERTEN LOHNEN SICH
      Der Aufwand für eine umfassende Prüfung der Verkaufsunterlagen oder eine gemeinsame Besichtigung des Kaufobjekts mit einem Baufachexperten ist in Relation zum Kaufpreis und zum Risikopotenzial sicher gut investiertes Geld. Auch wenn sich aufgrund der objektspezifischen Ausgangslage oder einer vielleicht ungünstigen Verhandlungsposition nur wenige Änderungen oder Preisminderungen durchsetzen lassen, ermöglicht die Prüfung zumindest eine bewusste Risikoabschätzung, was viele Käufer wohl etwas ruhiger schlafen lässt.
      Text: Pascal Lutz

       

      Fachartikel als PDF: Immobilia 11/2015