«Welches Lüftungssystem passt?»
Die Komfortansprüche und das Gesundheitsbewusstsein nehmen im Wohnbereich laufend zu. Es wird zudem vorausgesetzt, dass neue Gebäude einen energetisch und ökologisch hohen Standard aufweisen. Auch bei Sanierungen und Umbauten stellt sich die Frage, wie diese Anforderungen auf sinnvolle Weise erfüllt werden können. Der Weg dorthin führt über thermisch hervorragend gedämmte und dichte Gebäudehüllen. Damit entfällt jedoch der «natürliche» Luftwechsel über Ritzen und Fugen. Ihn gilt es zu ersetzen. Die Frage ist nur: Wie?
Die SIA-Norm 180 zu Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden verlangt eine luftdichte Gebäudehülle. Um bei dichten Gebäudehüllen eine Anreicherung von Schad- und Geruchsstoffen sowie eine zu hohe Raumluftfeuchte zu vermeiden, ist eine Luftzufuhr von aussen erforderlich. Hierfür ist ein geeignetes Lüftungskonzept vorzusehen. Im Sinne eines groben Überblicks werden nachfolgend die wichtigsten Lüftungssysteme vorgestellt.
NATÜRLICHE LÜFTUNG
Unter natürlicher Lüftung versteht man den Austausch von Raumluft gegen Aussenluft über Gebäudeöffnungen, in der Regel über die Fenster. Aus energetischer Sicht heisst das im Idealfall: Die Fenster werden möglichst alle zusammen drei Mal am Tag für 10 bis 15 Minuten geöffnet. Trifft falsches, zu geringes Lüften auf konstruktive Schwachstellen, sprich Wärmebrücken, so besteht die Gefahr von Feuchteschäden und Schimmelbildung. Abgesehen vom Luftaustausch über Ritzen und Fugen kann zwischen einseitiger Lüftung und Querlüftung unterschieden werden. Bei der Querlüftung ist meist der Wind die Antriebskraft; die einseitige Lüftung funktioniert durch die Temperaturunterschiede zwischen innen und aussen.
Vorteile: In der Regel keine Investitions- und Unterhaltskosten für zusätzliche Haustechnik. Sie eignet sich bei genügend grossen Fensterflächen gut für eine kurze Intensivlüftung oder zur Nachtauskühlung.
Nachteile: Offene Fenster bieten kaum Schutz gegen Witterung und Einbruch, gegen Zufuhr von warmer Luft im Sommer und kalter im Winter, gegen hohen Aussenlärm sowie gegen Stickoxide und Feinstaub der Aussenluft. Letzteres betrifft vor allem Lagen an stark befahrenen Strassen in Gebieten mit hoher Siedlungsdichte. Zudem hängt es stark vom Lüftungsverhalten der Bewohner ab, ob eine ausreichende Luftzufuhr erreicht wird und wie gross die Lüftungswärmeverluste (z. B. durch dauernd geöffnete Kippfenster) sind. Bei einer natürlichen Lüftung ist zudem auch keine Wärmerückgewinnung möglich.
Einige Unzulänglichkeiten der manuellen Fensterlüftung lassen sich mit elektrischen Antrieben bei Dreh- und Kippfenstern, die sich nach einem Zeitprogramm oder auch nach Temperatur, Feuchte und Wind steuern lassen, vermeiden. Besonders interessant ist diese Variante der natürlichen Lüftung für die Nachtauskühlung.
REINE ABLUFTANLAGEN
Bei reinen Abluftanlagen wird nur die Abluft mechanisch gefördert. Die Zuluft strömt über den so erzeugten Unterdruck nach. Um dies bei einer dichten Gebäudehülle und gleichzeitigem Dauerbetrieb der Abluftanlage
sicherzustellen, werden Aussenluftdurchlässe eingesetzt. Das Prinzip der reinen Abluftanlagen funktioniert grundsätzlich nur bei geschlossenen Fenstern. Steht ein Fenster offen, strömt die gesamte Ersatzluft dort in das Gebäude. Bei kurzem Öffnen macht sich dies kaum bemerkbar. Wenn aber in einem Zimmer mit offenem Fenster geschlafen wird, erhalten die anderen
Zimmer mit geschlossenen Fenstern nicht genug frische Luft. Zu beachten ist auch, dass bei der reinen Abluftanlage die Abwärme nur bedingt nutzbar gemacht werden kann, z. B. als Unterstützung bei der Erwärmung des Brauchwassers oder dem Betrieb der Heizung.
Vorteile: Die reine Abluftanlage benötigt wenig Platz für die Lüftungsinstallationen, was sie grundsätzlich für Gebäudesanierungen interessant macht. Sie kann mit relativ geringen Investitionen realisiert werden, und der Energiebedarf der Ventilatoren ist ebenfalls verhältnismässig gering.
Nachteile: Da die Filter der Aussenluftdurchlässe ein- bis zweimal im Jahr gewechselt werden müssen, entstehen nicht unerhebliche Wartungskosten. Insbesondere im Mietwohnungsbau sollte dies nicht unterschätzt werden. Im Sommer kann über die Aussenluftdurchlässe stark erwärmte Aussenluft in die Wohnung gelangen. Hier gilt es, einen geeigneten sommerlichen Wärmeschutz respektive eine Beschattung vorzusehen. Im Winter können Aussenluftdurchlässe sehr kalt werden. Sie müssen daher so konstruiert sein, dass kein Kondensat entsteht. Starker Wind kann die Funktion der Abluftanlage stören, und bei starker Lärmbelastung ist darauf zu achten, dass das Schalldämmmass gegen aussen nicht zu stark geschwächt wird. Da das Prinzip der reinen Abluftanlage auf der Erzeugung von Unterdruck basiert, eignet es sich nur für weitgehend luftdichte Gebäude. Ab einer gewissen Undichtigkeit des Gebäudes wird der Einsatz einer Abluftanlage sowohl von der Funktion als auch vom Energieverbrauch her fragwürdig. Der Unterdruck kann auch die Funktion von raumluftabhängigen Feuerungen (z. B. Cheminée) stören und Abgase in die Wohnung führen. Auch in von Radon gefährdeten Gebieten ist Zurückhaltung geboten.
KOMFORTLÜFTUNG
Bei der Komfortlüftung, auch einfache Lüftungsanlage genannt, werden die Zuluft wie auch die Abluft mechanisch gefördert. Dabei wird die Aussenluft gefiltert und meist durch eine Wärmerückgewinnung erwärmt. Ein Zuluftventilator führt die Zuluft über ein Verteilsystem in die Zimmer. Von dort strömt sie durch den Korridor in Küche, Bad und WC, wo sie von Feuchte, Gerüchen und Schadstoffen belastet abgesaugt und über die Abluftleitung zurück zum Lüftungsgerät geführt wird. Ein Abluftfilter schützt das Gerät vor Verschmutzung. Die Wärmerückgewinnung überträgt einen möglichst hohen Anteil der Abluftwärme auf die Zuluft. Danach wird die abgekühlte und verbrauchte Luft durch den Abluftventilator ins Freie befördert. Bei den Komfortlüftungen wird zwischen Einzelwohnungsanlagen mit einem Lüftungsgerät pro Wohnung und Mehrwohnungsanlagen mit einem zentralen Gerät für mehrere Wohnungen unterschieden.
Vorteile: Unter anderem funktioniert sie unabhängig von Wetterlagen (z. B. Aussentemperaturen, Wind) immer gleich gut, es sind hohe Filterstufen möglich, und der Schallschutz gegen aussen wird nicht geschwächt. Zudem können durch den Einsatz einer Wärmerückgewinnung und dichten Gebäudehülle die Lüftungswärmeverluste sehr gering gehalten werden, und der thermische Komfort ist wegen der relativ kleinen Temperaturunterschiede zwischen Zu- und Raumluft recht hoch. Die Wartung ist aufgrund der reduzierten Anzahl Lüftungsgeräte einfacher zu handhaben als bei Abluftanlagen. Schliesslich kann durch die in der Regel freie Positionierung der Aussenluftfassung der Einfluss von verkehrsbedingten Schadstoffen reduziert werden.
Nachteile: Der Energieverbrauch der Ventilatoren ist nicht zu unterschätzen, der Raumbedarf für die Installationen ist nicht unerheblich, und die Investitionen sind merklich höher als bei einer reinen Abluftanlage. Da der energetische Nutzen einer Komfortlüftung bei geringer Dichtigkeit der Gebäudehülle markant abnimmt, ist ihr Einsatz bei Erneuerungen gut zu prüfen.
EINZELLÜFTUNGSGERÄTE
Einzelraumlüftungsgeräte bedienen jeweils nur einzelne Räume, z. B. Wohn- oder Schlafzimmer. Sie sollten mit Filtern, Ventilatoren und Wärmerückgewinnung ausgestattet sein.
Vorteile: Die Geräte eignen sich bei der Nachrüstung von bestehenden Gebäuden. So können sie in Räumen an stark befahrenen Strassen, die Lärm oder Stickoxide mit sich bringen, eingesetzt werden. Der Energieverbrauch für die Ventilatoren ist bei guten Geräten kleiner als bei einer Komfortlüftung. Weil bei diesem System keine Überströmdurchlässe zu anderen Räumen nötig sind, wird das Schalldämmmass zwischen diesen Räumen nicht reduziert. Die natürliche Lüftung erfolgt im Idealfall drei Mal am Tag für 10 bis 15 Minuten durch das Öffnen aller Fenster.
Nachteile: Da sich die Ventilatoren im Zimmer befinden, müssen Modelle verwendet werden, die nicht als laut und störend empfunden werden. Das Schalldämmmass gegen aussen ist besser als bei Abluftanlagen, aber schlechter als bei Komfortlüftungen. Der Wartungsaufwand ist wegen der grossen Anzahl Filter – pro Zimmer zwei Stück – relativ hoch. Der sogenannte «Wirkungsgrad» der Wärmerückgewinnung liegt tiefer als bei der Komfortlüftung, und im Dauerbetrieb sind die Lüftungswärmeverluste aufgrund der höheren Aussenluftrate höher als bei der Komfortlüftung.
SYSTEMWAHL
Modellhafte Kostenbetrachtungen zeigen, dass sich Lüftungsanlagen nicht über die gesparten Energiekosten amortisieren lassen. Ihre weitaus grösseren Vorteile liegen in den sogenannten Nebennutzen. Aus Sicht der Bewohner ist dies vor allem der zusätzliche Komfort (z. B. Luftqualität, Schallschutz, Sicherheit), aus Sicht des Eigentümers sind es eine bessere Vermietbarkeit, die Vermeidung von Feuchteschäden und eine bessere Werterhaltung.
Angesichts der Vielfalt der Systeme mit all ihren Eigenheiten sind Wirtschaftlichkeitsvergleiche oder Wertanalysen aufwendig und ihre Ergebnisse mit Unschärfen behaftet. Professor Heinrich Huber, Dozent für Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern, schlägt einen pragmatischeren Weg vor: Als Erstes wird geklärt, ob ein Gebäude hohe Anforderungen an die Lüftung (z. B. Minergie-Standard, städtische Lagen und Agglomerationen, mittleres und gehobenes Preissegment, lärmbelastete Lagen) oder geringe stellt (z. B. minimale energetische Anforderungen, ländliche Gebiete, unteres Preissegment, ruhige Wohnlagen). Da man bei Gebäuden mit hohen Ansprüchen davon ausgeht, dass sich eine Komfortlüftung über die Zahlungsbereitschaft für die Nebennutzen finanzieren lässt, wird diese Variante als Erstes geprüft. Dabei beurteilt man, ob die Anforderungen an die Lüftung erfüllt sind, die Lüftung aus finanzieller und technischer Sicht realisierbar ist und ob die Nachteile des Systems akzeptiert werden können. Lassen sich alle Fragen mit Ja beantworten, ist das System gefunden. Wird eine Frage mit Nein beantwortet, werden nacheinander die weiteren Systeme (Einzelraumlüftungsgeräte, Abluftanlage, automatische Fensterlüftung) geprüft. Weil bei Gebäuden mit geringen Anforderungen davon ausgegangen wird, dass aus finanziellen Gründen eine Fensterlüftung im Vordergrund steht, beginnt das Auswahlverfahren bei diesem System. Kommt es nicht infrage, werden nacheinander die anderen Systeme geprüft (Abluftanlage, Komfortlüftung, Einzelraumlüftungsgeräte). Aufgrund der Komplexität des Themas und der jeweils «einzigartigen» Rahmenbedingungen von Gebäuden empfiehlt es sich, die Systemwahl über eine sinnvolle Vereinfachung der Betrachtung, jedoch unter Berücksichtigung der individuellen Ziele anzugehen. Letztlich sind aber Gespräche und Abklärungen mit einer Fachperson unverzichtbar.
Text: Martin Boda
Fachartikel als PDF: HEV 22/2015
«Welches Lüftungssystem passt?»
Die Komfortansprüche und das Gesundheitsbewusstsein nehmen im Wohnbereich laufend zu. Es wird zudem vorausgesetzt, dass neue Gebäude einen energetisch und ökologisch hohen Standard aufweisen. Auch bei Sanierungen und Umbauten stellt sich die Frage, wie diese Anforderungen auf sinnvolle Weise erfüllt werden können. Der Weg dorthin führt über thermisch hervorragend gedämmte und dichte Gebäudehüllen. Damit entfällt jedoch der «natürliche» Luftwechsel über Ritzen und Fugen. Ihn gilt es zu ersetzen. Die Frage ist nur: Wie?
Die SIA-Norm 180 zu Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden verlangt eine luftdichte Gebäudehülle. Um bei dichten Gebäudehüllen eine Anreicherung von Schad- und Geruchsstoffen sowie eine zu hohe Raumluftfeuchte zu vermeiden, ist eine Luftzufuhr von aussen erforderlich. Hierfür ist ein geeignetes Lüftungskonzept vorzusehen. Im Sinne eines groben Überblicks werden nachfolgend die wichtigsten Lüftungssysteme vorgestellt.
NATÜRLICHE LÜFTUNG
Unter natürlicher Lüftung versteht man den Austausch von Raumluft gegen Aussenluft über Gebäudeöffnungen, in der Regel über die Fenster. Aus energetischer Sicht heisst das im Idealfall: Die Fenster werden möglichst alle zusammen drei Mal am Tag für 10 bis 15 Minuten geöffnet. Trifft falsches, zu geringes Lüften auf konstruktive Schwachstellen, sprich Wärmebrücken, so besteht die Gefahr von Feuchteschäden und Schimmelbildung. Abgesehen vom Luftaustausch über Ritzen und Fugen kann zwischen einseitiger Lüftung und Querlüftung unterschieden werden. Bei der Querlüftung ist meist der Wind die Antriebskraft; die einseitige Lüftung funktioniert durch die Temperaturunterschiede zwischen innen und aussen.
Vorteile: In der Regel keine Investitions- und Unterhaltskosten für zusätzliche Haustechnik. Sie eignet sich bei genügend grossen Fensterflächen gut für eine kurze Intensivlüftung oder zur Nachtauskühlung.
Nachteile: Offene Fenster bieten kaum Schutz gegen Witterung und Einbruch, gegen Zufuhr von warmer Luft im Sommer und kalter im Winter, gegen hohen Aussenlärm sowie gegen Stickoxide und Feinstaub der Aussenluft. Letzteres betrifft vor allem Lagen an stark befahrenen Strassen in Gebieten mit hoher Siedlungsdichte. Zudem hängt es stark vom Lüftungsverhalten der Bewohner ab, ob eine ausreichende Luftzufuhr erreicht wird und wie gross die Lüftungswärmeverluste (z. B. durch dauernd geöffnete Kippfenster) sind. Bei einer natürlichen Lüftung ist zudem auch keine Wärmerückgewinnung möglich.
Einige Unzulänglichkeiten der manuellen Fensterlüftung lassen sich mit elektrischen Antrieben bei Dreh- und Kippfenstern, die sich nach einem Zeitprogramm oder auch nach Temperatur, Feuchte und Wind steuern lassen, vermeiden. Besonders interessant ist diese Variante der natürlichen Lüftung für die Nachtauskühlung.
REINE ABLUFTANLAGEN
Bei reinen Abluftanlagen wird nur die Abluft mechanisch gefördert. Die Zuluft strömt über den so erzeugten Unterdruck nach. Um dies bei einer dichten Gebäudehülle und gleichzeitigem Dauerbetrieb der Abluftanlage
sicherzustellen, werden Aussenluftdurchlässe eingesetzt. Das Prinzip der reinen Abluftanlagen funktioniert grundsätzlich nur bei geschlossenen Fenstern. Steht ein Fenster offen, strömt die gesamte Ersatzluft dort in das Gebäude. Bei kurzem Öffnen macht sich dies kaum bemerkbar. Wenn aber in einem Zimmer mit offenem Fenster geschlafen wird, erhalten die anderen
Zimmer mit geschlossenen Fenstern nicht genug frische Luft. Zu beachten ist auch, dass bei der reinen Abluftanlage die Abwärme nur bedingt nutzbar gemacht werden kann, z. B. als Unterstützung bei der Erwärmung des Brauchwassers oder dem Betrieb der Heizung.
Vorteile: Die reine Abluftanlage benötigt wenig Platz für die Lüftungsinstallationen, was sie grundsätzlich für Gebäudesanierungen interessant macht. Sie kann mit relativ geringen Investitionen realisiert werden, und der Energiebedarf der Ventilatoren ist ebenfalls verhältnismässig gering.
Nachteile: Da die Filter der Aussenluftdurchlässe ein- bis zweimal im Jahr gewechselt werden müssen, entstehen nicht unerhebliche Wartungskosten. Insbesondere im Mietwohnungsbau sollte dies nicht unterschätzt werden. Im Sommer kann über die Aussenluftdurchlässe stark erwärmte Aussenluft in die Wohnung gelangen. Hier gilt es, einen geeigneten sommerlichen Wärmeschutz respektive eine Beschattung vorzusehen. Im Winter können Aussenluftdurchlässe sehr kalt werden. Sie müssen daher so konstruiert sein, dass kein Kondensat entsteht. Starker Wind kann die Funktion der Abluftanlage stören, und bei starker Lärmbelastung ist darauf zu achten, dass das Schalldämmmass gegen aussen nicht zu stark geschwächt wird. Da das Prinzip der reinen Abluftanlage auf der Erzeugung von Unterdruck basiert, eignet es sich nur für weitgehend luftdichte Gebäude. Ab einer gewissen Undichtigkeit des Gebäudes wird der Einsatz einer Abluftanlage sowohl von der Funktion als auch vom Energieverbrauch her fragwürdig. Der Unterdruck kann auch die Funktion von raumluftabhängigen Feuerungen (z. B. Cheminée) stören und Abgase in die Wohnung führen. Auch in von Radon gefährdeten Gebieten ist Zurückhaltung geboten.
KOMFORTLÜFTUNG
Bei der Komfortlüftung, auch einfache Lüftungsanlage genannt, werden die Zuluft wie auch die Abluft mechanisch gefördert. Dabei wird die Aussenluft gefiltert und meist durch eine Wärmerückgewinnung erwärmt. Ein Zuluftventilator führt die Zuluft über ein Verteilsystem in die Zimmer. Von dort strömt sie durch den Korridor in Küche, Bad und WC, wo sie von Feuchte, Gerüchen und Schadstoffen belastet abgesaugt und über die Abluftleitung zurück zum Lüftungsgerät geführt wird. Ein Abluftfilter schützt das Gerät vor Verschmutzung. Die Wärmerückgewinnung überträgt einen möglichst hohen Anteil der Abluftwärme auf die Zuluft. Danach wird die abgekühlte und verbrauchte Luft durch den Abluftventilator ins Freie befördert. Bei den Komfortlüftungen wird zwischen Einzelwohnungsanlagen mit einem Lüftungsgerät pro Wohnung und Mehrwohnungsanlagen mit einem zentralen Gerät für mehrere Wohnungen unterschieden.
Vorteile: Unter anderem funktioniert sie unabhängig von Wetterlagen (z. B. Aussentemperaturen, Wind) immer gleich gut, es sind hohe Filterstufen möglich, und der Schallschutz gegen aussen wird nicht geschwächt. Zudem können durch den Einsatz einer Wärmerückgewinnung und dichten Gebäudehülle die Lüftungswärmeverluste sehr gering gehalten werden, und der thermische Komfort ist wegen der relativ kleinen Temperaturunterschiede zwischen Zu- und Raumluft recht hoch. Die Wartung ist aufgrund der reduzierten Anzahl Lüftungsgeräte einfacher zu handhaben als bei Abluftanlagen. Schliesslich kann durch die in der Regel freie Positionierung der Aussenluftfassung der Einfluss von verkehrsbedingten Schadstoffen reduziert werden.
Nachteile: Der Energieverbrauch der Ventilatoren ist nicht zu unterschätzen, der Raumbedarf für die Installationen ist nicht unerheblich, und die Investitionen sind merklich höher als bei einer reinen Abluftanlage. Da der energetische Nutzen einer Komfortlüftung bei geringer Dichtigkeit der Gebäudehülle markant abnimmt, ist ihr Einsatz bei Erneuerungen gut zu prüfen.
EINZELLÜFTUNGSGERÄTE
Einzelraumlüftungsgeräte bedienen jeweils nur einzelne Räume, z. B. Wohn- oder Schlafzimmer. Sie sollten mit Filtern, Ventilatoren und Wärmerückgewinnung ausgestattet sein.
Vorteile: Die Geräte eignen sich bei der Nachrüstung von bestehenden Gebäuden. So können sie in Räumen an stark befahrenen Strassen, die Lärm oder Stickoxide mit sich bringen, eingesetzt werden. Der Energieverbrauch für die Ventilatoren ist bei guten Geräten kleiner als bei einer Komfortlüftung. Weil bei diesem System keine Überströmdurchlässe zu anderen Räumen nötig sind, wird das Schalldämmmass zwischen diesen Räumen nicht reduziert. Die natürliche Lüftung erfolgt im Idealfall drei Mal am Tag für 10 bis 15 Minuten durch das Öffnen aller Fenster.
Nachteile: Da sich die Ventilatoren im Zimmer befinden, müssen Modelle verwendet werden, die nicht als laut und störend empfunden werden. Das Schalldämmmass gegen aussen ist besser als bei Abluftanlagen, aber schlechter als bei Komfortlüftungen. Der Wartungsaufwand ist wegen der grossen Anzahl Filter – pro Zimmer zwei Stück – relativ hoch. Der sogenannte «Wirkungsgrad» der Wärmerückgewinnung liegt tiefer als bei der Komfortlüftung, und im Dauerbetrieb sind die Lüftungswärmeverluste aufgrund der höheren Aussenluftrate höher als bei der Komfortlüftung.
SYSTEMWAHL
Modellhafte Kostenbetrachtungen zeigen, dass sich Lüftungsanlagen nicht über die gesparten Energiekosten amortisieren lassen. Ihre weitaus grösseren Vorteile liegen in den sogenannten Nebennutzen. Aus Sicht der Bewohner ist dies vor allem der zusätzliche Komfort (z. B. Luftqualität, Schallschutz, Sicherheit), aus Sicht des Eigentümers sind es eine bessere Vermietbarkeit, die Vermeidung von Feuchteschäden und eine bessere Werterhaltung.
Angesichts der Vielfalt der Systeme mit all ihren Eigenheiten sind Wirtschaftlichkeitsvergleiche oder Wertanalysen aufwendig und ihre Ergebnisse mit Unschärfen behaftet. Professor Heinrich Huber, Dozent für Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern, schlägt einen pragmatischeren Weg vor: Als Erstes wird geklärt, ob ein Gebäude hohe Anforderungen an die Lüftung (z. B. Minergie-Standard, städtische Lagen und Agglomerationen, mittleres und gehobenes Preissegment, lärmbelastete Lagen) oder geringe stellt (z. B. minimale energetische Anforderungen, ländliche Gebiete, unteres Preissegment, ruhige Wohnlagen). Da man bei Gebäuden mit hohen Ansprüchen davon ausgeht, dass sich eine Komfortlüftung über die Zahlungsbereitschaft für die Nebennutzen finanzieren lässt, wird diese Variante als Erstes geprüft. Dabei beurteilt man, ob die Anforderungen an die Lüftung erfüllt sind, die Lüftung aus finanzieller und technischer Sicht realisierbar ist und ob die Nachteile des Systems akzeptiert werden können. Lassen sich alle Fragen mit Ja beantworten, ist das System gefunden. Wird eine Frage mit Nein beantwortet, werden nacheinander die weiteren Systeme (Einzelraumlüftungsgeräte, Abluftanlage, automatische Fensterlüftung) geprüft. Weil bei Gebäuden mit geringen Anforderungen davon ausgegangen wird, dass aus finanziellen Gründen eine Fensterlüftung im Vordergrund steht, beginnt das Auswahlverfahren bei diesem System. Kommt es nicht infrage, werden nacheinander die anderen Systeme geprüft (Abluftanlage, Komfortlüftung, Einzelraumlüftungsgeräte). Aufgrund der Komplexität des Themas und der jeweils «einzigartigen» Rahmenbedingungen von Gebäuden empfiehlt es sich, die Systemwahl über eine sinnvolle Vereinfachung der Betrachtung, jedoch unter Berücksichtigung der individuellen Ziele anzugehen. Letztlich sind aber Gespräche und Abklärungen mit einer Fachperson unverzichtbar.
Text: Martin Boda
Fachartikel als PDF: HEV 22/2015
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