Über Schönwetterarchitektur
Schon der römische Architekt Vitruv definierte die drei Hauptanforderungen an Architektur: Festigkeit, Nützlichkeit und Schönheit. Doch leider halten sich einige Architekten nicht an diese altbewährten Grundsätze.
WENIGER VISIONEN, MEHR REALITÄT
Ein guter Architekt muss einen Dreiklang beherrschen: eine fachgerechte Ausführung, die Einhaltung der Nutzeranforderungen und eine gute Gestaltung. Diese Grundsätze, die auch heute noch gelten, werden von den meisten Architekten vorbildlich eingehalten. Doch leider zeigt die Praxis, dass einige Architekten von dieser Dreiheit fahrlässig abweichen und dadurch erhebliche Probleme für Bauherren und Käufer verursachen. Wir sind in unserer Tätigkeit zunehmend mit Bauschäden nach der Fertigstellung konfrontiert, die ihren Ursprung in einer einseitigen, primär auf den gestalterischen Ausdruck fokussierten Umsetzung haben. Manche Entwürfe wirken so kühn wie Konzepthäuser in der kalifornischen Wüste, sind leider aber oft auch ähnlich konstruiert. Einige Architekten blenden aus, dass es in unseren Breitengraden nicht nur häufiger regnet, sondern das Meteorwasser im Winter auch gefriert oder als Schnee auf die Gebäudehülle einwirkt. Häufig wird zu sorglos mit neuen Materialien und Detaillösungen experimentiert, für die es noch keine Langzeiterfahrungen gibt. Dies ist dem Bauherrn oft nicht einmal bewusst. behoben. Das hat den Nachteil, dass sich bei den Architekten kein Lerneffekt einstellt.
MEHR FACHWISSEN NÖTIG
Dieser Missstand hat seinen Ursprung auch in einer Architekturausbildung, die den Fokus zu einseitig auf die architekturtheoretischen und gestalterischen Aspekte legt und die Schulung der konstruktiven Grundsätze weitgehend der späteren Berufspraxis überlässt. Spätestens dann müssen die konstruktiven Grundlagen häufig unter fachkundiger Anleitung am Objekt erlernt werden. Bleibt dies aus, wird das Lehrgeld meist vom ahnungslosen Bauherrn bezahlt.
Die Behebung von schwerwiegenden Planungsmängeln ist nachträglich oft schwierig und scheitert nicht häufig an der rechtlichen Hürde einer unverhältnismässigen Nachbesserung. Meist einigt man sich auf eine Kompromisslösung, die kaum noch an die ursprüngliche Gestaltungsabsicht erinnert.
Dabei sind zur Vermeidung von groben Planungsfehlern nur wenige konstruktive Grundsätze einzuhalten. Die folgenden Regeln der Baukunde können im Planungs- und Bauprozess auch von branchenfremden Bauherrn und Käufern überprüft oder zumindest erfragt werden:
- Keine unerprobten oder «exotischen» Detaillösungen und Materialien anwenden
- Materialübergänge mit Arbeitsfugen ausbilden
- Vermeidung beregneter horizontaler Flächen im Fassadenbereich
- Klare Konzipierung der wasserführenden Schichten und Flächen (Abläufe, Gefälle und Notspeier)
- Bewusste Planung aller Anschlüsse, vor allem des Sockelbereichs (Anschluss Terrain-Fassade)
- Einhaltung der bauphysikalischen Grundsätze (Wärme- und Feuchtehaushalt des Gebäudes)
KOMPETENZEN PRÜFEN
Diese Punkte lassen sich relativ einfach zusammenfassen: Wasser in all seinen Aggregatszuständen und die temperaturbedingte Längenänderung von Materialien sind die Hauptfeinde jedes Gebäudes. Dieser altbekannten Tatsache muss konstruktiv Rechnung getragen und jedes Ausführungsdetail dahingehend geprüft werden. Dabei muss auf eine zeitgemässe, reduzierte Formensprache keineswegs verzichtet werden. Mit einer seriösen Detailplanung in enger Absprache mit den beteiligten Unternehmern lassen sich meist Lösungen finden, die weder den architektonischen Wurf verunklären noch die Baukosten übermässig strapazieren. Doch dafür müsste der Architekt bereit sein, sich nötigenfalls von allzu kühnen Ideen zu verabschieden oder gestalterische Kompromisse einzugehen. Es liegt am Bauherrn oder seinem Vertreter, die fachgerechte Umsetzung zu überwachen oder noch besser, bereits bei der Auswahl des Architekten auf seine fachliche Kompetenz zu achten. Dabei sind Referenzauskünfte von anderen Eigentümern durchaus hilfreich. Letztlich muss man einen treuhänderischen Planungspartner finden, der mit der beschriebenen Problematik gewissenhaft und vertrauensvoll umgeht. Meist haben Laien im Bauprozess, vor allem bei der Konstruktion von Gebäuden, keine andere Wahl, als dem Rat der Fachleute zu vertrauen. Da geht es einem ähnlich wie zum Beispiel den meisten Baufachleuten beim Automechaniker.
Text: Pascal Lutz
Fachartikel als PDF: Immobilia April/2016
Über Schönwetterarchitektur
Schon der römische Architekt Vitruv definierte die drei Hauptanforderungen an Architektur: Festigkeit, Nützlichkeit und Schönheit. Doch leider halten sich einige Architekten nicht an diese altbewährten Grundsätze.
WENIGER VISIONEN, MEHR REALITÄT
Ein guter Architekt muss einen Dreiklang beherrschen: eine fachgerechte Ausführung, die Einhaltung der Nutzeranforderungen und eine gute Gestaltung. Diese Grundsätze, die auch heute noch gelten, werden von den meisten Architekten vorbildlich eingehalten. Doch leider zeigt die Praxis, dass einige Architekten von dieser Dreiheit fahrlässig abweichen und dadurch erhebliche Probleme für Bauherren und Käufer verursachen. Wir sind in unserer Tätigkeit zunehmend mit Bauschäden nach der Fertigstellung konfrontiert, die ihren Ursprung in einer einseitigen, primär auf den gestalterischen Ausdruck fokussierten Umsetzung haben. Manche Entwürfe wirken so kühn wie Konzepthäuser in der kalifornischen Wüste, sind leider aber oft auch ähnlich konstruiert. Einige Architekten blenden aus, dass es in unseren Breitengraden nicht nur häufiger regnet, sondern das Meteorwasser im Winter auch gefriert oder als Schnee auf die Gebäudehülle einwirkt. Häufig wird zu sorglos mit neuen Materialien und Detaillösungen experimentiert, für die es noch keine Langzeiterfahrungen gibt. Dies ist dem Bauherrn oft nicht einmal bewusst. behoben. Das hat den Nachteil, dass sich bei den Architekten kein Lerneffekt einstellt.
MEHR FACHWISSEN NÖTIG
Dieser Missstand hat seinen Ursprung auch in einer Architekturausbildung, die den Fokus zu einseitig auf die architekturtheoretischen und gestalterischen Aspekte legt und die Schulung der konstruktiven Grundsätze weitgehend der späteren Berufspraxis überlässt. Spätestens dann müssen die konstruktiven Grundlagen häufig unter fachkundiger Anleitung am Objekt erlernt werden. Bleibt dies aus, wird das Lehrgeld meist vom ahnungslosen Bauherrn bezahlt.
Die Behebung von schwerwiegenden Planungsmängeln ist nachträglich oft schwierig und scheitert nicht häufig an der rechtlichen Hürde einer unverhältnismässigen Nachbesserung. Meist einigt man sich auf eine Kompromisslösung, die kaum noch an die ursprüngliche Gestaltungsabsicht erinnert.
Dabei sind zur Vermeidung von groben Planungsfehlern nur wenige konstruktive Grundsätze einzuhalten. Die folgenden Regeln der Baukunde können im Planungs- und Bauprozess auch von branchenfremden Bauherrn und Käufern überprüft oder zumindest erfragt werden:
- Keine unerprobten oder «exotischen» Detaillösungen und Materialien anwenden
- Materialübergänge mit Arbeitsfugen ausbilden
- Vermeidung beregneter horizontaler Flächen im Fassadenbereich
- Klare Konzipierung der wasserführenden Schichten und Flächen (Abläufe, Gefälle und Notspeier)
- Bewusste Planung aller Anschlüsse, vor allem des Sockelbereichs (Anschluss Terrain-Fassade)
- Einhaltung der bauphysikalischen Grundsätze (Wärme- und Feuchtehaushalt des Gebäudes)
KOMPETENZEN PRÜFEN
Diese Punkte lassen sich relativ einfach zusammenfassen: Wasser in all seinen Aggregatszuständen und die temperaturbedingte Längenänderung von Materialien sind die Hauptfeinde jedes Gebäudes. Dieser altbekannten Tatsache muss konstruktiv Rechnung getragen und jedes Ausführungsdetail dahingehend geprüft werden. Dabei muss auf eine zeitgemässe, reduzierte Formensprache keineswegs verzichtet werden. Mit einer seriösen Detailplanung in enger Absprache mit den beteiligten Unternehmern lassen sich meist Lösungen finden, die weder den architektonischen Wurf verunklären noch die Baukosten übermässig strapazieren. Doch dafür müsste der Architekt bereit sein, sich nötigenfalls von allzu kühnen Ideen zu verabschieden oder gestalterische Kompromisse einzugehen. Es liegt am Bauherrn oder seinem Vertreter, die fachgerechte Umsetzung zu überwachen oder noch besser, bereits bei der Auswahl des Architekten auf seine fachliche Kompetenz zu achten. Dabei sind Referenzauskünfte von anderen Eigentümern durchaus hilfreich. Letztlich muss man einen treuhänderischen Planungspartner finden, der mit der beschriebenen Problematik gewissenhaft und vertrauensvoll umgeht. Meist haben Laien im Bauprozess, vor allem bei der Konstruktion von Gebäuden, keine andere Wahl, als dem Rat der Fachleute zu vertrauen. Da geht es einem ähnlich wie zum Beispiel den meisten Baufachleuten beim Automechaniker.
Text: Pascal Lutz
Fachartikel als PDF: Immobilia April/2016